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Nachverkauf: The Gustav Klimt Sale

24. April 2024, 17:00 Uhr

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Gustav Klimt

(Wien 1862 - 1918 Wien)

„Stehender Mädchenakt im Profil nach links (Studie für "Die Leiden der schwachen Menschheit" - Beethovenfries)“
1901
Schwarze Kreide auf Papier; gerahmt
44,6 x 31,4 cm
Nachlass-Stempel rechts unten
Rechts unten bezeichnet: R

Provenienz

Carl Reininghaus, Wien;
Sammlung August und Serena Lederer, Wien;
Erich Lederer, Wien und Genf;
österreichischer Privatbesitz

Ausstellung

1903 Wien, Secession, 18. Secessionsausstellung (Klimt-Kollektive), 14. Nov.-Ende Dez.;
1962 Wien, Albertina, Gustav Klimt 1862-1918, Zeichnungen, Gedächtnisausstellung, Nr. 41;
1976 Essen, Gustav Klimt, Zeichnungen aus Albertina- und Privatbesitz, Folkwang Museum, Nr. 22 (Abb.)

Literatur

Emil Pirchan, Gustav Klimt, Ein Künstler aus Wien, Wien/Leipzig 1942, Abb. S. 59;
Emil Pirchan, Gustav Klimt, Wien 1956, Abb. 130;
Otto Breicha und Gerhard Fritsch (Hg.), Finale und Auftakt, Wien 1898-1914, Literatur, Bildende Kunst, Musik, Salzburg 1964, Abb. S. 51;
D. Thomas, Drawings by Gustav Klimt, The Connoisseur 1967, Nr. 164, S. 105 (Abb.);
Arthur Schnitzler, Spiel im Morgengrauen und andere Erzählungen, Auswahl und Einleitung von Hans Weigel, Zeichnungen von Gustav Klimt, Frankfurt/M. 1961, Abb. S. 343;
Christian M. Nebehay (Hg.), Gustav Klimt Dokumentation, Wien 1969, Abb. 399;
Alfred Werner, Gustav Klimt one hundred drawings with an introduction by Alfred Werner, New York 1972, Nr. 11 (Abb.);
Marian Bisanz-Prakken, Der Beethovenfries, Salzburg 1977, S. 54, Taf. 5 (S. 90);
Otto Breicha, Gustav Klimt. Die goldene Pforte. Werk, Wesen, Wirkung. Bilder und Schriften zu Leben und Werk, Salzburg 1978, Abb. 74;
Alice Strobl, Gustav Klimt. Die Zeichnungen 1878-1903, Bd. I, Salzburg 1980, Nr. 760, Abb. S. 231

Limit: € 70.000 +Aufgeld +ggf. Folgerecht
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Gustav Klimts Beethovenfries, ein Hauptwerk der Wiener Moderne, entstand als Teil der im April 1902 eröffneten Beethovenausstellung der Secession. In diesem einzigartigen Gesamtkunstwerk, geschaffen von 21 Mitgliedern der Vereinigung, sollten die Architektur, die Malerei, die Skulptur und das Kunsthandwerk vorübergehend einer einzigen, leitenden Idee dienen. Letztere fand sich in der monumentalen Beethovenskulptur von Max Klinger (1902), die als Kultbild im Mittelsaal des hochmodernen, tempelähnlichen Interieurs von Josef Hoffmann den wichtigsten Platz einnahm. Entscheidend für die Wiener war nicht nur die bunte Materialvielfalt des Hauptkunstwerks, sondern auch die komplexe Ikonografie des halbnackt auf Wolken thronenden Genies, das einsam für die Menschheit kämpft und leidet. Sämtliche Malereien und Dekorationen standen im Zeichen von Kampf und Überwindung, Sehnsucht und Erlösung – allen voran Klimts Beethovenfries, der sich über drei Wände des linken Seitensaals erstreckte.
In klar gegliederten Szenen allegorisierte Klimt, vermutlich angeregt von Richard Wagners Ideen über Beethovens Neunte Symphonie, die Höhen und Tiefen des menschlichen Daseins. In der linken Wand dominierten die Schwebenden der „Sehnsucht nach Glück“, der streitbare Ritter und die „schwache Menschheit“; die mittlere Schmalwand der „feindlichen Gewalten“ provozierte das Publikum durch die grelle Erotik der „drei Gorgonen,“ während die rechte Wand der „Poesie“, den „Künsten“ und dem goldglänzenden „idealen Reich“ der Liebe gewidmet war. Dieser strahlende Schlussteil bezog sich durch die Zitate „Freude schöner Götterfunke“ und „Diesen Kuss der ganzen Welt“ unmittelbar auf Beethovens Neunte Symphonie.
Mit Kaseinfarben, schwarzen und farbigen Kreiden, Goldauflagen, Stuckapplikationen, Halbedelsteinen, Modeschmuck und anderen Materialien arbeitete Klimt unmittelbar auf den nackten Putzflächen und entwickelte dabei eine radikal neue Liniensprache – auch in seiner Zeichenkunst. Bereits in den 1901 gezeichneten Studien verinnerlichte er die Verbundenheit seiner Figuren mit der Architektur, indem er die Stellungen und Gesten der Posierenden geometrischen Gesetzen unterwarf und deren Frontal- und Profilstellungen betonte. Durch prägnant stilisierende Umrisslinien in schwarzer Kreide hob er den jeweils spezifischen Charakter seiner Personifikationen hervor. So weist jede der vier hier präsentierten Zeichnungen (Kat.-Nr. 2–5), die für verschiedene Figuren entstanden sind, ihre ganz eigene Stimmung auf.

Die Studie bereitet – spiegelverkehrt – die Gestalt des stehenden halbwüchsigen Mädchens vor, das der Figurengruppe der linken Längswand angehört. Dieser Programmteil wird im Katalog als „Die Leiden der schwachen Menschheit“ beschrieben, gefolgt von den Worten: „Die Bitten dieser an den wohlgerüsteten Starken [den Ritter] als äußere, Mitleid und Ehrgeiz als innere treibende Kräfte, die ihn das Ringen nach dem Glück aufzunehmen bewegen.“ Auffallend ist der Unterschied zwischen der Mädchenfigur und dem knienden Menschenpaar mit den streng geometrischen Stellungen und Gesten. Während die Erwachsenen Demut und Ernsthaftigkeit vermitteln, hebt sich die zarte Silhouette des Mädchens frei und natürlich vom hellen Putzgrund ab. Abgesehen von einigen Details entspricht die Studie schon weitgehend der im Fries gemalten Figur. Mit subtilen und treffsicheren Linien in schwarzer Kreide definiert Klimt die Konturen der hageren, eckigen Körperformen und gelangt so zu einer einfühlsamen Charakteristik der Pubertät.
(Marian Bisanz-Prakken)