Auktionshaus

Auktion: The Gustav Klimt Sale

24. April 2024, 17:00 Uhr

0010

Egon Schiele

(Tulln 1890 - 1918 Wien)

„Gertrude Schiele sitzend“
1910
Aquarell und schwarze Kreide auf Papier; gerahmt
45 x 31,8 cm
Monogrammiert und datiert rechts unten: S. 10.

Provenienz

Karl Mayländer, Wien;
österreichischer Privatbesitz

Literatur

Jane Kallir, Egon Schiele. The Complete Works, New York 1998, Nr. D. 474, s/w-Abb. S. 402

Das Kunstwerk wird im Auftrag der gegenwärtigen Eigentümer (österreichischer Privatbesitz) sowie den Rechtsnachfolgern nach Karl Mayländer aufgrund einer Vereinbarung im Sinne der Washington Principles versteigert.

Schätzpreis: € 600.000 - 1.000.000
Ergebnis: € 763.000 (inkl. Gebühren)
Auktion ist beendet.
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Beginnend mit 1910 setzt die eigentliche expressionistische Phase im Schaffen Egon Schieles ein. Durch seine von Gustav Klimt vermittelte Beteiligung an der Kunstschau 1909, war die Wiener Kunstszene bereits auf den erst neunzehnjährigen Künstler aufmerksam geworden und mit Heinrich Benesch und Arthur Roessler finden sich die ersten Förderer. Auch der Wiener Unternehmer Karl Mayländer, aus dessen Besitz vorliegendes Aquarell stammt, gehört zu den frühen Sammlern.

Dargestellt ist eines der liebsten Modelle Egon Schieles in den frühen Jahren, seine um vier Jahre jüngere Schwester Gertrude. Mit Gerti, wie er sie liebevoll nennt, verbindet ihn eine besonders innige Beziehung. 1914 heiratet sie den Freund ihres Bruders, den Maler Anton Peschka.

Neben den vielfach anonymen Aktdarstellungen und Selbstbildnissen entstehen im Jahr 1910 zahlreiche Porträtbilder. Im Gegensatz zu den äußerst ästhetischen Menschendarstellungen eines Gustav Klimt „verwebt“ Egon Schiele „unterschiedlichste Inhalte zu einem Menschenbild, das mit Wiedererkennungspotenzialen und Schmeicheleien bricht. Damit war schon im Alter von zwanzig Jahren der Höhepunkt im Schaffen des Künstlers erreicht, der Schiele zum Giganten des Porträt-Genres macht“ (Christian Bauer (Hg.), Egon Schiele, Fast ein ganzes Leben, München 2015, S. 64).

In vorliegendem Bildnis stellt Egon Schiele im Gegensatz zu früheren Werken, in denen noch eine „verschämte Schüchternheit eines jungen Mädchens“ (Agnes Husslein-Arco, Jane Kallir (Hg.), Egon Schiele. Selbstporträts und Porträts, Ausstellungskatalog, Belvedere, Wien 2011, S. 47) zum Tragen kommt, Gertrude als energische, ja fast zornige Frau dar, die die Betrachterin, den Betrachter herausfordernd anblickt. Nicht nur die ausdrucksstarken Augen mit den angehobenen Brauen und die geradlinige Mundpartie vermitteln diesen Eindruck, sondern auch die ebenfalls in expressiver Inkarnatfarbe hervorgehobenen Unterarme und Hände. Der linke Arm ruht selbstbewusst auf einer Balustrade oder Rückenlehne, die rechte Hand ist zur Faust geballt. Es ist typisch für Egon Schiele, dass er neben dem Gesicht mit seiner Mimik oftmals auch die Hände als Charakteristikum eines Menschen in seine Darstellungen miteinbezieht. Wo genau Gerti sitzt, darüber belässt uns der Künstler im Unklaren. Genaugenommen sitzt seine Schwester im Luftleeren des freigelassenen Papiergrundes. Das Fehlen der räumlichen Verortung und der Verankerung der Porträtierten im Umraum irritieren. Es entsteht eine Art negativer Raum, ein Stilmerkmal, das dem Jugendstil entnommen ist. Diese Leerflächen werden den Stil Egon Schieles bis zu seinem Lebensende bestimmen, „nur wagt er“ hier bereits „den Schritt von der dekorativen zur expressiven Stilisierung“ (Jane Kallir in: Husslein, S. 85).
(Sophie Cieslar)