Auktionshaus

Auktion: Zeitgenössische Kunst

22. Juni 2023, 16:00 Uhr

5003

Hermann Nitsch*

(Wien 1938 - 2022 Wien)

„Schüttbild mit Malhemd“
2011
Acryl auf weiß grundiertem Jute-und Baumwollhemd; ungerahmt
200 x 300 cm
Rückseitig signiert und datiert: H. Nitsch 2011

Provenienz

61. Malaktion Prinzendorf, 2011;
Nitsch Foundation, vom jetzigen Besitzer 2017 dort erworben

Schätzpreis: € 50.000 - 100.000
Auktion ist beendet.

Hermann Nitsch zählt zu den bekanntesten österreichischen Künstlern mit internationalem Ruf. Der Maler und Auktionskünstler schuf ein breites interdisziplinäres Werk zwischen Malerei, Grafik, Bühnenbild, Film und Fotografie. Seine Themen kreisen um Mensch und Sein, Tod und Religion, Mythos und Ritual. Neben Günter Brus, Otto Muehl und Rudolf Schwarzkogler war Nitsch Anfang der Sechziger Mitbegründer des Wiener Aktionismus. Mit teils provokanten Aktionen kämpfte die radikale Revolte gegen repressive gesellschaftliche Konventionen. Philosophische, religiöse und dionysische Aspekte vereinte Nitsch dann in seinem Orgien Mysterien Theater – eine Art performatives Gesamtkunstwerk, das alle fünf Sinne anregte. Nitsch ist Künstler und Tabubrecher, sein Markenzeichen ist Blut und Fleisch, viele seiner Bilder gleichen einem Schlachtfeld. Sein Kunstkosmos ist eng verknüpft mit dem Leben als Passion. Er sieht den Malprozess als verdichtende Form des Lebens. Werke des Künstlers finden sich heute in zahlreichen internationalen Sammlungen wie der Albertina in Wien, der Tate Britain in London oder dem Museum of Modern Art in New York.

Zu Nitschs markantesten Arbeiten zählt sein Malhemd. Sie sind Teil seiner ausschweifenden Malaktionen und werden durch das Tragen zum Kunstwerk und Relikt. Das Malhemd ist das gelebte Abbild seiner Arbeit, wobei sich Nitsch zwischen Exzess und Ekstase zum Hohepriester der Kunst verwandelt. Sein Priesterkleid wird dabei befleckt und beschüttet, wie es die vorliegende Arbeit im puristischem Schwarz-Weiß-Look beweist. Kunst und Opferkult liegen hier eng beieinander. Mit seiner Kreuzform suggeriert das Malhemd zudem religiöse und sakrale Konnotationen. „Ich spielte schon früh mit dem Gedanken, das farbbeschmutzte Hemd als Relikt aufzuheben. Drei Jahre nach der ersten Malaktion bemühte ich mich schon um die Konservierung der Aktionsrelikte. Bei Aktionen benützte weiße Tücher und eben Aktionsgewänder wurden als Relikte ausgestellt. Um 1969 begann ich Ritualgewänder der christlichen Kirche vor meinen Aktionsmalereien zu hängen. Später tat ich dies mit den von mir benützten Malhemden. Das Gewand als Träger der Spuren blutigsten Leidens entspricht frühester direkter Bildwerdung,“ so Nitsch einst in einem Interview. (Hermann Nitsch zitiert aus: Michael Karrer (Hg.): Hermann Nitsch. Das Gesamtkunstwerk des Orgien Mysterien Theaters, Köln 2015, S. 455)

(Stefan Üner)