Auktionshaus

Auktion: Evening Sale - Klassische Moderne

27. November 2023, 19:00 Uhr

0005

Rudolf Wacker

(Bregenz 1893 - 1939 Bregenz)

„Uferlandschaft“
1936
Öl auf Sperrholz; gerahmt
60 x 75 cm
Signiert und datiert rechts unten: R. Wacker 36
Rückseitig eigenhändig bezeichnet: B 75 H 60 / Rudolf Wacker / Bregenz / 1936 / "Uferlandschaft"
Rückseitig altes Ausstellungsetikett Große Deutsche Kunstausstellung München 1937
Originalrahmen

Provenienz

1936 direkt vom Künstler erworben;
seither in Familienbesitz, österreichische Privatsammlung

Ausstellung

1946 Bregenz, Vorarlberger Landesmuseum, Gedächtnisausstellung Rudolf Wacker, 28.04.-11.06.;
1958 Wien, Österreichische Galerie, XLVI. Wechselausstellung im Oberen Belvedere, Gedächtnisausstellung Rudolf Wacker 1893-1939, 31.05.-28.09. (dort mit dem Titel „Der Schnabelhafen bei Bregenz“)

Literatur

Max Haller, Rudolf Wacker 1893-1939. Biografie mit dem Oeuvre-Katalog des malerischen Werkes, Lustenau 1971, WV-Nr. 327 (ohne Abb.)

Wir danken Herrn Dr. Jürgen Thaler, Franz-Michael-Felder-Archiv der Vorarlberger Landesbibliothek/Vorarlberger Literaturarchiv, für die wertvollen Hinweise und die freundliche Unterstützung bei der Katalogisierung.

Schätzpreis: € 250.000 - 500.000
Ergebnis: € 384.000 (inkl. Gebühren)
Auktion ist beendet.

Die "Uferlandschaft" zeigt den Blick von Mehrerau in Richtung Lindau mit dem Pfänderrücken rechts im Hintergrund. Diese atemberaubend schöne, in ihrer präzisen Detailgenauigkeit und bravourösen Lasurtechnik an altmeisterliche Gemälde erinnernde Ansicht des Bodensees entstand in Rudolf Wackers letzter Schaffensperiode im Frühsommer 1936. Gemeinsam mit zwei anderen Bildern hat Wacker die "Uferlandschaft" zur Großen Deutschen Kunstausstellung nach München geschickt, die 1937 im Haus der Deutschen Kunst stattfinden sollte. Dort wurden Wackers Gemälde jedoch nicht für die Schau, die repräsentativ für die Kunst des Nazi-Regimes stand, ausgewählt. Wacker konnte seine "Uferlandschaft" noch 1936 an eine Bregenzer Familie verkaufen, in deren Sammlung das Gemälde über Jahrzehnte verblieb. Nach dem Tod des Künstlers wurde das Gemälde nur zwei Mal bei Ausstellungen gezeigt: das erste Mal 1946 im Vorarlberger Landesmuseum, zwölf Jahre später war das Bild dann bei der Wacker-Gedächtnisausstellung in der Österreichischen Galerie in Wien zu sehen.

Wie viele seiner Zeitgenossen litt Rudolf Wacker in den dreißiger Jahren immer stärker unter den Bedrohungen, die von der politischen Situation ausgingen. Er ahnte die Gefahr einer näher rückenden Katastrophe schon früh und setzte sich aktiv mit Briefen und Artikeln zur Wehr. 1937 besuchte er die Ausstellung „Entartete Kunst“ in München. Im Mai 1938 fanden bei ihm Hausdurchsuchungen und Verhöre durch die Gestapo statt.
Das Naturerlebnis und die Landschaft seiner Umgebung bedeuteten für den Maler in dieser schweren Zeit Zuflucht und boten eine Möglichkeit, die besorgniserregende Gegenwart ein wenig auszublenden. Der Bodensee und seine Ufer im Wechsel der Jahreszeiten stellten für ihn eine unerschöpfliche Quelle der Inspiration dar. Jedoch war der Fokus auf die Schönheit der Landschaft und die Banalität des Alltags nur vordergründig unbeschwert. In sein Tagebuch schrieb Wacker 1932: "Wenn Idyllisches dargestellt wird, kann es nicht ohne kritischen Abstand geschehen, wir selbst können nicht mehr in der Idylle sein. Wir stellen sie noch fest, in irgendeinem Winkel, als Rest, als Vergehendes, Vergangenes, - mit einer Spur von Traurigkeit im Herzen, mit etwas Spott im Kopfe, mit Sinnen, die darüber weg in die Ferne denken." (Rudolf Wacker, Tagebucheintrag, 08.04.1932, vgl. Rudolf Sagmeister, Rudolf Wacker. Tagebücher 1919-1939, Vaduz 1990, S. 604f.)
(Claudia Mörth-Gasser)