Auktionshaus

Auktion: Klassische Moderne

08. Dezember 2022, 15:00 Uhr

2134

Rudolf Wacker

(Bregenz 1893 - 1939 Bregenz)

„Herbststrauß mit Zitronenfalter“
1937
Öl auf Sperrholz; gerahmt
65 x 50 cm
Signiert und datiert rechts unten: R. Wacker 37
Rückseitig eigenhändig bezeichnet: B 50 H 65 / Rudolf Wacker / Bregenz / 1937 / "Herbst-Strausz mit / Zitronenfalter"

Provenienz

1937 vom Großvater des jetzigen Eigentümers direkt von Rudolf Wacker erworben;
Privatsammlung, Schweiz;
durch Erbfolge Privatbesitz, Deutschland

Ausstellung

1946 Bregenz, Vorarlberger Landesmuseum, Gedächtnisausstellung Rudolf Wacker

Literatur

Max Haller, Rudolf Wacker 1893 - 1939. Biografie mit dem Oeuvre-Katalog des malerischen Werkes, Lustenau 1971, Nr. 339 (ohne Abb.)

Wir danken Dr. Jürgen Thaler, Franz-Michael-Felder-Archiv der Vorarlberger Landesbibliothek/Vorarlberger Literaturarchiv, für die freundliche Unterstützung bei der Katalogisierung.

Schätzpreis: € 150.000 - 250.000
Ergebnis: € 512.000 (inkl. Gebühren)
Auktion ist beendet.

"Neue Sachlichkeit“ war die Antwort vieler Maler der Zwischenkriegsjahre auf existentielle Fragen und eine von Krisen geschüttelte Lebenswirklichkeit. Die Schrecken des Ersten Weltkrieges weckten in der Kunst das Bedürfnis nach Ordnung. In dezidierter Abkehr vom Expressionismus kam es zu einer Rückbesinnung auf die Welt des Sichtbaren und auch auf malerische Traditionen. Rudolf Wacker zählt zu den bedeutendsten Vertretern der Neuen Sachlichkeit in Österreich.
Unser "Herbststrauß mit Zitronenfalter" aus dem Jahr 1937, der im Werkverzeichnis von Max Haller unter der Nummer 339 dokumentiert ist, wurde bisher noch nicht in der Öffentlichkeit präsentiert und war nie zuvor am Markt zu finden. Unmittelbar nach seiner Entstehung wurde das Bild von einem engen Freund des Malers in dessen Atelier erworben. Mehr als acht Jahrzehnte lang befand es sich in einer Schweizer Privatsammlung und zuletzt durch Erbfolge in deutschem Privatbesitz.

Wie viele seiner Zeitgenossen beobachtete Rudolf Wacker die politische Entwicklung der dreißiger Jahre mit wachsender Besorgnis. Er ahnte die Gefahr einer näher rückenden Katastrophe schon früh und setzte sich aktiv mit Briefen und Artikeln zur Wehr. Mit der massiv werdenden Bedrohung durch das Hitler-Regime setzte Resignation ein, sein Gesundheitszustand verschlechterte sich. 1937 besuchte er die Ausstellung „Entartete Kunst“ in München. Nach dem Einmarsch der NS-Truppen in Österreich spitzte sich die Lage zu: im Mai 1938 fanden bei Wacker Hausdurchsuchungen und Verhöre durch die Gestapo statt. Er konnte sich von seinem Herzleiden nicht mehr erholen und starb am 19. April 1939.

In diesen schweren letzten Schaffensjahren entstehen seine beeindruckendsten Blumenstillleben: die "Herbststräuße". Während er in früheren Bildern noch die Frische blühender Blumen darstellt, nehmen verdorrende Herbstblumen nun den größten Raum im Oeuvre ein. Berührende Worte aus dem Tagebuch des Malers spiegeln dessen Affinität zum Thema „Vergänglichkeit“ und zur Symbolkraft verwelkender Blumen wider: „Verdorrte Sträusse - Sie haben nicht die gleissenden, aufdringlichen Farben frischer Blumen; stiller sind sie, wie aus Staub aufglimmend. Es liegt eine unbemerkte Schönheit in diesen im Sterben erstarrten Formen und nachglühenden Farben. Sie haben ihre sinnliche Üppigkeit verloren und - Symbole des Welkens und Vergehens, sind sie doch reich noch von den Spuren des Lebens und voller Bedeutung.“ (Rudolf Wacker, Tagebuch, 10.11.1934).

Die für Wacker typische Leere des Hintergrunds nimmt den dargestellten Dingen ihren Ort und ihre Zeit. Bei unserem "Herbststrauß mit Zitronenfalter" schafft lediglich der Schattenwurf des Kruges einen räumlichen Anhaltspunkt und verankert die Blumen im nicht näher definierten, changierenden Braun-Grau des Bildraums. Der Kontrast von abstrakter Hintergrundfolie und Detailgenauigkeit in der Wiedergabe des Blumenmotivs ist charakteristisch und macht die Präzision der Malweise noch augenfälliger.
Seine malerische Fertigkeit und die Kenntnis altmeisterlicher Lasurtechniken erlangte Wacker durch intensives Studium alter Meister in Museen, wobei sein besonderes Interesse den Stillleben- und Blumenmalern des 17. Jahrhunderts galt. In den Gemäldegalerien fand er auch durch den Kontakt mit Restauratoren und Kopisten Anregung und Hilfe beim Erlernen der „altmeisterlichen“ Technik. In Anlehnung an die Bildtradition bevölkert Wacker seine Blumensträuße mit Schmetterlingen. Doch während diese bei konventionellen Stillleben ein lebendiges Beiwerk sind - ein tradiertes Symbol für das Werden und Vergehen der Natur - spießt Wacker seine Tiere demonstrativ mit feinen Nadeln auf und forciert damit die Konnotation des Todes und der Erstarrung.
Bei Käufern waren Wackers Blumensträuße gefragter als andere Stillleben. So waren es die Blumenbilder und seine Leidenschaft für die Symbolik des Werdens und Vergehens, die Wackers große finanzielle Not am Ende seines Lebens mildern konnten.
(Claudia Mörth-Gasser)