Auktionshaus

Auktion: Zeitgenössische Kunst

08. Juli 2021, 17:00 Uhr

2367

Erwin Wurm*

(Bruck 1954)

„Mind-Bubble“
ca. 2007/2008
Polystyrol, Acryl, Wolle
H. ca. 112 cm

Provenienz

aus einer institutionellen Kunstsammlung

Einige Fehlstellen im Strickteil wurden im Frühjahr 2021 fachmännisch geschlossen.

Schätzpreis: € 15.000 - 30.000
Ergebnis: € 13.200 (inkl. Gebühren)
Auktion ist beendet.

Seit den späten 1980ern beschäftigt sich Erwin Wurm mit dem Skulpturbegriff, den er im Bezug zum Menschen neu definiert, ausdehnt und weiterdenkt. Nach Überlegungen zur Dreidimensionalität, Volumen, Gewicht, Schwerkraft und Statik in früheren Arbeiten konzentriert sich Wurm auf das Alltägliche, das er zur Skulptur erhöht. Dabei schließen sich beißende Gesellschaftskritik und eine ordentliche Portion Humor nicht aus, wenn Wurm die vielen menschlichen Unzulänglichkeiten des Alltags aufs Korn nimmt. In den bahnbrechenden „One Minute Sculptures“ werden Menschen in grotesk-museal anmutenden Posen bzw. Situationen fotografiert und somit zur Skulptur erklärt. Wurm thematisiert Schlankheitswahn und Fettsucht, Mode, Werbung und Konsumkult. Das spießige Einfamilienhaus schrumpft auf nicht mehr bewohnbare Beengtheit, Statussymbole wie schicke Autos und Häuser verfetten und verlieren ihren Nutzwert, Alltagsgegenstände werden zu Kultobjekten hochstilisiert.

Seit den 90er Jahren arbeitet Wurm auch mit Kleidungsstücken - dem urmenschlichsten Accessoire, unserer „zweiten Haut“ - die das breite Spektrum von reiner Funktionalität bis zur exzentrischen Selbstdarstellung bieten. Soziale und funktionale Aspekte werden miteinander verwoben, Status und Stil nach außen kommuniziert. Indem Wurm seine Skulpturen „anzieht“, wird das Objekt subjektiviert: Weiße Leinwände tragen Pullover, werden mit Ärmel, Halsausschnitt und Kragen versehen und weisen sowohl abstrakte als auch figürliche Merkmale auf.

"Mind bubbles" nennt Wurm die kartoffeligen, plumpen Formen, die er in biedere Westen gesteckt hat: Symbole bequemer Einfältigkeit, gleichzeitig aber auch, wie ihr Titel verrät, eine Reminiszenz an die Sprechblasen aus Comics, deren Absurditäten, Widersprüche im Maßstab und die Aushebelung physikalischer Gesetze den Künstler faszinieren. Ihre inhaltliche und formelle Flexibilität steht im krassen Gegensatz zu den spießigen Kleidungsstücken, die die „bubbles“ umspannen. Ein bizarrer Augenschmaus, in dem Komik und Philosophie einander die Hände reichen.

(Ina Waldstein)